Umgang mit Trauer und Ohnmacht im Familienalltag mit ME/CFS
Für viele Eltern ist das Spiel ihres Kindes ein selbstverständlicher Ausdruck von Lebendigkeit, Entwicklung und Teilhabe. Wenn ein Kind plötzlich oder schleichend krank wird und nicht mehr spielen kann – sei es, weil jede Bewegung erschöpft, weil Reizverarbeitung zur Qual wird oder weil die Welt nur noch vom Bett aus wahrgenommen wird –, beginnt ein existenzieller Einschnitt in das Leben der gesamten Familie.
ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue-Syndrom) ist eine schwerwiegende neuroimmunologische Erkrankung, die besonders bei Kindern und Jugendlichen drastische Auswirkungen haben kann. Das bekannte kindliche Spiel – spontan, laut, kreativ, bewegungsreich – wird oft unmöglich. Zurück bleiben Fragen, Ohnmacht, Trauer. Und Eltern, die ihren Kindern nicht mehr „helfen“ können im klassischen Sinne.
Der Verlust von Gesundheit ist ein realer Verlust – auch wenn das Umfeld diesen oft nicht wahrnimmt oder benennt. Kinder mit ME/CFS verlieren nicht nur körperliche Energie, sondern auch soziale Räume, kognitive Teilhabe und Entwicklungschancen. Diese Verluste betreffen auch ihre Eltern.
Die Trauer der Eltern ist deshalb nicht „nur“ sekundär, sondern ein eigener, berechtigter Prozess. Sie trauern um ein Kind, das „da ist und doch nicht mehr mitspielen kann“, um Zukunftsvorstellungen, um das eigene elterliche Selbstbild. Diese Trauer ernst zu nehmen – ohne sich von ihr überwältigen zu lassen – ist ein erster wichtiger Schritt.
ME/CFS konfrontiert Eltern mit einer fundamentalen Ohnmacht: Keine Therapie verspricht Heilung, medizinische Versorgung ist oft fragmentarisch, Unterstützungssysteme fehlen oder greifen nicht. Die Verantwortung für das kranke Kind fühlt sich oft total an – und ist doch begrenzt.
Gleichzeitig erleben viele Eltern, dass ihre Fürsorge von außen hinterfragt oder nicht ernst genommen wird. Nicht selten müssen sie gegen Missverständnisse, Fehldiagnosen oder sogar Kindeswohlgefährdungsvorwürfe ankämpfen. Diese doppelte Belastung – Sorge um das Kind und Kampf um Anerkennung – kann psychisch und körperlich zermürbend sein.
Auch wenn das Spiel als kindliche Ausdrucksform fehlt, bleibt Beziehung möglich – oft auf neue, stille, feinfühlige Weise. Es geht darum, gemeinsam neue Rituale zu entwickeln, stille Formen der Nähe zu finden, Resonanzräume zu schaffen, wo Worte fehlen.
Ein Kind, das nicht mehr spielen kann, braucht echte Begegnung – mit seinem Tempo, seiner Würde, seinen Grenzen.
Viele Eltern übernehmen ungewollt Systemarbeit: Sie müssen Diagnosen erkämpfen, Therapien organisieren, Schulen aufklären, Pflegestufen beantragen. Diese zusätzliche Rolle verschärft die emotionale Überforderung.
Wer im Alltag ständig gegen strukturelle Ignoranz ankämpfen muss, erlebt oft einen Verlust des Vertrauens in das Gesundheitssystem. Umso wichtiger ist es, sich mit anderen zu vernetzen – fachlich wie emotional.
Für Eltern, die sich in dieser Belastung nicht mehr allein zurechtfinden oder gezielte Begleitung wünschen, biete ich auch in diesem Jahr wieder mein strukturiertes Begleitprogramm „Familienkompass“ an. Es richtet sich speziell an Familien mit schwer erkrankten Kindern – mit dem Fokus auf Orientierung, Selbststärkung, emotionaler Verarbeitung und systemischer Unterstützung.
📌 Nächster Programmstart: August
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Der Familienkompass verbindet Fachwissen, individuelle Begleitung und Austausch mit anderen Betroffenen – digital, barrierearm und auf Augenhöhe. Schau hier, wenn du weitere Informationen möchtest.
Wenn das Kind nicht mehr spielen kann, ändert sich alles – aber nicht alles ist verloren. Inmitten von Ohnmacht, Schmerz und Erschöpfung bleiben Räume, in denen Eltern ihr Kind begleiten, lieben und stärken können.
Das ist keine sentimentale Botschaft, sondern eine fachlich wie menschlich begründete Perspektive: Entwicklung heißt nicht immer „mehr tun“, sondern manchmal „mehr sein“.
Und auch wenn das Außen das vielleicht nicht sieht: Eltern schwer erkrankter Kinder leisten oft Übermenschliches – Tag für Tag, Nacht für Nacht. Diese Leistung verdient Respekt, Anerkennung und systemische Unterstützung. Wenn du Fragen rund um das Thema Familienalltag mit ME/CFS hast, lade ich dich ganz herzlich ein zu meinem Q&A am Sonntag, den 20.07 um 11.00 Uhr. In ca. 45 Minuten werde ich die gängigen Fragen aus meiner Beratungspraxis vorstellen und beantworten. Schick mir einfach eine Mail und lass dich in den Verteiler für den Zoomlink eintragen.
Über mich:
Ich begleite als fachlich versierte Stimme mit eigener Erfahrung Familien mit ME/CFS-betroffenen Kindern. Mit medizinischem, systemischem und aktivistischem Blick arbeite ich an Aufklärung, Ressourcenstärkung und gesellschaftlicher Sichtbarkeit.
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