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ein Gedankensplitter

Pacing im Alltag: Nachhaltig mit Energie umgehen

Pacing im Alltag: Nachhaltig mit Energie umgehen

Menschen mit ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue-Syndrom) wissen, wie herausfordernd es sein kann, den eigenen Energiehaushalt zu managen. Beim Stichwort „Pacing“ denken viele zunächst an „Verzicht“ oder Einschränkungen, doch das ist ein Missverständnis. Pacing bedeutet nicht, das Leben aufzugeben oder sich ständig zu beschränken – es bedeutet vielmehr, die vorhandenen Ressourcen bewusst und nachhaltig zu nutzen, um möglichst lange eine gute Lebensqualität zu bewahren.

Was ist Pacing?

Pacing ist eine Methode, um den eigenen Energiehaushalt zu stabilisieren und zu lernen, mit den vorhandenen Kräften geschickt umzugehen. Es geht darum, das tägliche Aktivitätslevel so zu gestalten, dass Rückschläge und Überlastung vermieden werden. Das Ziel von Pacing ist mehr Lebensqualität, weniger Erschöpfung, weniger Rückfälle und eine insgesamt größere Stabilität im Alltag.

Ein zentrales Element des Pacings ist die sogenannte Baseline. Dies bezeichnet das individuelle Energie-Niveau, das du regelmäßig aushalten kannst, ohne in einen sogenannten „Crash“ (PEM – Post Exertional Malaise) zu geraten. Dieses Niveau ist bei jedem Menschen unterschiedlich und kann je nach Erkrankungsschwere variieren. Für manche bedeutet es, nur wenige Minuten am Stück zu sprechen oder zu gehen, für andere sind auch mehrere Stunden leichter Tätigkeit möglich. Die Baseline zu erkennen, ist der erste Schritt zu einem nachhaltigen Umgang mit Energie.

Wie ermittelt man die Baseline?

Es gibt zwei Hauptmethoden, um die eigene Baseline zu ermitteln:

  1. Dokumentieren: Mit Hilfe von Symptomtagebüchern, Apps oder speziellen Skalen lässt sich der eigene Energiehaushalt gut im Blick behalten. Diese Methode hilft, Muster zu erkennen und gezielt auf Überlastung zu reagieren.
  2. Intuitive Selbstbeobachtung: Besonders bei Kindern und Jugendlichen funktioniert es oft besser, auf Achtsamkeit und Selbstbeobachtung zu setzen. Hierbei geht es darum, in sich hinein zu spüren und zu erkennen, wo die eigenen Grenzen liegen – ganz ohne Tabellen und Skalen.

Abwechseln statt Überlasten: Ein zentraler Grundsatz des Pacings

Ein weiteres wichtiges Prinzip des Pacings ist Abwechslung. Den Körper und den Geist zu sehr zu beanspruchen, kann zu Überlastung führen, weshalb es wichtig ist, regelmäßig zwischen verschiedenen Tätigkeiten zu wechseln. Dies sorgt dafür, dass verschiedene Körper- und Geistesfunktionen sich nicht überlasten. Zum Beispiel:

  • Nach einer langen Leseeinheit: Augen ausruhen.
  • Nach längerem Sitzen: Im Liegen regenerieren.
  • Nach einer kleinen körperlichen Aktivität: Eine kurze, geistige Tätigkeit einbauen.

Durch solche Rhythmen kann die Gesamtenergie im Körper stabilisiert werden, was langfristig zu weniger Erschöpfung führt.

Pacing nach Schweregrad: Jeder Mensch ist unterschiedlich

Es ist wichtig zu verstehen, dass Pacing individuell angepasst werden muss. Menschen, die schwer betroffen sind, können oft nur sehr kurze Tätigkeiten durchführen, während bei leichter betroffenen Personen mehr Spielraum besteht. Trotzdem bleibt die Gefahr, in den „Push-Crash“-Zyklus zu geraten, stets bestehen. Hier sind einige Beispiele:

  • Schwer betroffen: Oft sind nur ganz kurze Aktivitäten möglich, wie zum Beispiel ein kurzes Gespräch oder einige Minuten im Garten stehen. Auch kleine Schritte sind ein wichtiger Erfolg.
  • Mittel betroffen: Hier können kleinere, strukturierte Tätigkeiten durchgeführt werden, die aber in viele kleine Abschnitte unterteilt sind. Lange Pausen zwischen den Aktivitäten sind notwendig, um Erschöpfung zu vermeiden.
  • Milder betroffen: Auch bei dieser Gruppe ist es entscheidend, auf den eigenen Körper zu hören und den Drang zu vermeiden, zu viel auf einmal zu tun. Pacing ist besonders hier oft eine Herausforderung, aber auch hier kann eine konsequente Selbstbegrenzung den Unterschied machen.

Praktische Tipps für den Alltag

Damit Pacing im Alltag funktioniert, gibt es einige praktische Hilfestellungen:

  1. Klein statt groß: Zerlege Aufgaben in kleine, überschaubare Schritte und lege Pausen dazwischen ein.
  2. Routinen aufbauen: Feste Abläufe verringern die Belastung für den Geist und helfen dabei, den Tag strukturierter zu gestalten.
  3. Hilfsmittel nutzen: Ob Rollstuhl, Duschhocker, Timer oder Sprachassistenten – Hilfsmittel können dabei helfen, Energie zu sparen und alltägliche Aufgaben zu erleichtern.
  4. Rechtzeitig stoppen: Es ist immer besser, vorher aufzuhören, als bis zum Erschöpfen weiterzumachen. Dadurch wird die Baseline geschont und Rückschläge werden vermieden.

Pacing ist Selbstfürsorge

Pacing ist nicht einfach nur eine Methode zur Vermeidung von Überlastung, sondern ein Akt der Selbstfürsorge. Es bedeutet nicht, das Leben zu verkleinern, sondern es so zu gestalten, dass es tragfähig bleibt, für den Körper, den Geist und das Wohlbefinden. Pacing erfordert Geduld, Achtsamkeit und vor allem Mitgefühl mit sich selbst. Jeder kleine Schritt in Richtung mehr Stabilität ist ein Erfolg.

Der Systemkompass: Äußere Unterstützung ist genauso wichtig

Während Pacing die innere Struktur des Lebens mit ME/CFS stärkt, ist auch äußere Unterstützung notwendig, um langfristig eine stabile Lebensqualität zu gewährleisten. Dazu gehören beispielsweise der Pflegegrad, der Grad der Behinderung (GdB), Nachteilsausgleiche, Hilfsmittel oder notwendige schulische und berufliche Anpassungen.

Im Workshop Systemkompass (ab 01.10.) kannst du lernen, wie du diese Anträge stellst und dir ein stabiles Unterstützungsnetzwerk im Außen aufbaust. Denn nur wenn beides zusammenkommt – ein achtsamer Umgang mit den eigenen Ressourcen und die nötige äußere Unterstützung – kann das Leben mit ME/CFS leichter gestaltet werden.

Für diejenigen, denen längere Konzentration schwerfällt, gibt es ein Workbook sowie Aufzeichnungen, die speziell bei Brainfog helfen und Pacing erleichtern.

Infos & Anmeldung zum Workshop:
https://nataschakunert-moeller.de/project/workshop-systemwissen

Fazit

Pacing ist ein wertvolles Werkzeug für Menschen mit ME/CFS, um den Alltag nachhaltiger und stabiler zu gestalten. Es erfordert Geduld, Übung und ein sensibles Hineinspüren in den eigenen Körper, doch es schenkt langfristig mehr Lebensqualität.

Pacing ist kein Verzicht, sondern Selbstfürsorge.
Ein Weg zu einem tragfähigen, erfüllten Leben trotz der Herausforderungen von ME/CFS.